Timo Bracht: „Es ist noch viel von dem Never-Give-Up-Spirit vorhanden“

TSFG: Nach 18 Jahren Profisport beendest Du mit dem Ironman Italien am Samstag deine aktive Profikarriere. Wann hast Du für dich den Entschluss gefasst mit dem Profisport aufzuhören?

TB: Mir war schon am Anfang meiner Profikarriere klar, dass dieser Tag irgendwann kommen wird. Ich wurde mit Mitte 25 erst relativ spät Profi, habe mich aber bewusst für eine Profikarriere entschieden. Ich wusste: Es ist ein Riesenprivileg, dass ich das machen kann, weil ich die Leistungsfähigkeit dazu habe – Aber es war mir auch klar, dass Triathlonprofi kein Beruf ist, den ich mein Leben lang aktiv ausüben kann. Deshalb war es auch von Anfang an meine Motivation das Beste aus dieser Zeit zu machen und mein Talent zu nutzen. Sportler werde ich ja bleiben und auch weiter Triathlon machen, aber eben keine Wettkämpfe mehr auf diesem Level. In den letzten zwei, drei Jahren habe ich gesehen, dass ich weiterhin mit den Top Athleten mithalten kann und habe deshalb Jahr für Jahr drangehängt. Schlussendlich kann ich jetzt sagen, dass ich meine Karriere aus freien Stücken beende, ohne durch eine Verletzung oder andere Dinge dazu gezwungen zu werden. Mit 42 Jahren denke ich auch, dass es in diesem Sport ein guter Moment ist auf dem Zenit meiner Leistungsfähigkeit aufzuhören.

TSFG: Wann genau war dir klar, dass du aufhörst und wie gehst du jetzt damit um?

TB: Nach Hawaii 2016 habe ich gewusst, dass ich in meine letzte Profisaison gehe. Ich hatte genügend Zeit, mich zu vorzubereiten. Aber jetzt, in der Woche vor meinem allerletzten Profirennen, ist es schwer zu sagen, wie es wird in den nächsten Wochen. Dadurch, dass dieser Sport so hart ist und ich mir auch sportliche Ziele gesetzt habe, ist es keine klassische Abschiedstour, auf der du wehmütig durch die Gegend reist. Es ist noch viel Motivation aus diesem „Never-Give-Up-Spirit“ vorhanden, der mich so geprägt hat. Ein Langstreckenrennen ist das Härteste, was du als Schlusspunkt machen kannst. Ich hätte auch vor ein paar Wochen in Viernheim Schluss machen können. Die sportliche Motivation hat das Jahr beherrscht, gleichwohl gab es viele Orte und Momente, wo du dachtest: Okay, das ist jetzt das letzte Mal. Gerade bei meinem Start in Roth habe ich unheimlich viel Dankbarkeit von Fans und Veranstaltern gespürt.

TSFG: Den Weltmeistertitel auf Hawaii hast du mehrmals knapp verpasst. Aber Du bist mit dir selbst trotzdem im Reinen?

TB: Ich war in Hawaii sechs- oder siebenmal unter den ersten Acht. Klar, der Hawaii-Sieg war natürlich nicht da. Aber ich weiß was ich neben Hawaii alles erreicht habe: Drei Europameistertitel und zehn Langdistanzsiege; Darunter allein neun Ironmansiege. Damit bin ich auf die Siege bezogen glaube der erfolgreichste deutsche Langdistanzathlet und weltweit bin ich unter den Top fünf mit den meisten Siegen. Seit 2002 habe ich große Rennen auf verschiedenen Strecken und Kontinenten geprägt und gewonnen. Das sehe ich als meine Erfolgsstory - Deshalb bin ich auch mit mir im Reinen.

TSFG: Was hat dir der Sport gelehrt?

TB: Der Sport hatte zu Anfangszeiten auch eine erzieherische Funktion. In jungen Jahren lernst du in den verschiedenen Sportarten sehr viel über dich. Von Teamfähigkeit und Fairplay bis hin zu Durchhaltevermögen und Willenskraft, an dich zu glauben und mit Niederlagen umzugehen. Das war pädagogisch sehr wertvoll. Mir als Profi und Quereinsteiger hat der Sport ein Stück weit Existenzsicherung gebracht. Und so auch den Glauben an sich selbst und seine Talente um Dinge zu erreichen, die man vorher nie für möglich gehalten hätte. Diesen Glauben sollte man nicht aufgeben, egal wie schwer es ist. Viel schwerer als Ironman-Sport geht es ja kaum. Von knapp 300 Rennen habe ich nur eines bewusst aufgegeben. Aber man lernt durch den Sport auch „Nein“ zu sagen und das ist wichtig. Wenn ich erkältet war habe ich das Training auch mal sausen gelassen. Aber wenn es ernst wird muss man dadurch und einfach seinen Mann stehen.

TSFG: Was rätst du Amateuren, die an der Schwelle zum Profisport stehen?

TB: Das Allerwichtigste ist durch Leistung zu überzeugen. Man kann auch im Amateurbereich fast Profileistungen zeigen. Erst dann sollte man den Schritt wagen aber in den meisten Fällen geht es nicht gut. Die Sportprofis, die eine wirklich gute Karriere hinlegen, sind rar gezählt. Man sieht es auch im olympischen Sport: Die Sportler sind unterbezahlt, es gibt zu wenig Sporthilfe - Die gesellschaftliche Anerkennung von Spitzensportlern fehlt. Die Entscheidung Profi zu werden und ein Leben zu führen, dass dich auch existenziell zufrieden macht, ist unheimlich schwer. Ich habe es geschafft aber ich weiß auch, was für Entbehrungen und Risiken dieses Leben mit sich bringt. In der heutigen Zeit spielt man sich auch schnell was vor. In den sozialen Netzwerken kannst du ruckzuck einen Star aus dir formen, auch wenn die Leistungen auf dem Papier das nicht widerspiegeln. Profisport ist freie Marktwirtschaft, da werden keine Geschenke verteilt. Das muss einem klar sein.

TSFG: Wie sieht dein Leben nach dem Zieleinlauf am Samstag aus?

TB: Offiziell bin ich noch bis zum 31.12.2017 Triathlonprofi. Ich habe parallel zu meiner Profikarriere immer auch schon andere Projekte vorangetrieben und halte seit Jahren auch Vorträge. Vor allem werde ich mich verstärkt um meine Sportvermarktungsfirma kümmern und in die sportliche Leitung meines Triathlonteams TEAM SPORT FOR GOOD wechseln. Zum Jahreswechsel werde ich mich auch den zahlreichen Coaching-Anfragen widmen und dafür erarbeiten wir grade ein sehr interessantes Konzept. Durch meine jahrelange Erfahrung als Agegrouper, Profi und Sportstudent weiß ich genau, wie erfolgreiches Triathlontraining funktioniert. Als externen Stützpunkt dafür eröffne ich im nächsten Frühjahr zusammen mit einem befreundeten Arzt und Therapeut ein Gesundheits- und Diagnostikzentrum.

TSFG: Dein Ziel für das Rennen am Samstag?

TB: Da haben wir wieder die Diskussion: Mit welchem Erlebnis oder mit welchem Ergebnis ist man zufrieden? Da ich immer über Ergebnisse rede, sage ich es so: Ich will mit einem tollen Erlebnis aus dem Rennen gehen. Das Ergebnis kommt dann von ganz alleine.